48: ALBUM AMICORUM – HALLE – STAMMBUCH EINES HALLENSER STUDENTEN

aus dem Adelsstand und Mitglied der Freimaurerloge "Philadelphia, zu den drei goldenen Armen". Mit 95 Eintragungen, sämtlich aus Halle, dat. 1752-1758 sowie eine von 1792. Qu.-8º (13 x 20,2 cm). Mit 8 ganzseit. Gouachen auf Pgt., Deckenfarbenminiatur auf Papier, 2 großen Wappendarstellungen in Deckfarben und Gold auf Pgt. und lavierter Tuschezeichnung. 363 S. (hs. alt pag.; einzelne Seiten fehlen), 6 nn. Bl. (Register der Einträger). Ldr. d. Zt. mit reicher Rücken – und Deckelvg., dreiseit. Goldschnitt sowie Vorsätzen aus Augsburger Brokatpapier (Gelenke brüchig, etw. beschabt und bestoßen). (140)
Startpreis: 4.000,- €
Ergebnis: 7.000,- €


Kulturhistorisch bedeutendes Stammbuch mit schönen Miniaturen mit Stadtveduten aus Halle und Orten in der Umgebung. – Unter den Einträgern sind einige Mitglieder der 1756 gegründeten Hallenser Freimaurerloge "Philadelphia" sowie diverse prominente Gelehrte zu finden. Bei dem Eigner wird es sich aufgrund der Ansprache durch die Einträger (z. B. "hochverehrtester Herr … Euer gehorsamster Diener", aber auch "liebster Freund und Bruder") und der aufwendigen Ausstattung mit Pergamentminiaturen um einen adeligen Studenten gehandelt haben, der selbst Mitglied der Loge gewesen ist.

Beigetragen haben Studenten der Medizin, der Theologie und der Rechtswissenschaften, vereinzelt auch Professoren. Unter den bedeutendsten Inskribenten ist der Hallenser Mediziner und Professor Johann August Juncker (1679-1759) zu erwähnen. In seinem Eintrag von 1755 nennt er den Eigner "seinen allerliebsten Freund", wohl weil auch er ein Logenmitglied war. Ein Kommilitone, der eine Hochschulkarriere machen sollte, war der Mediziner Johann Friedrich Fritze (1735-1807), späterer Militärarzt und Professor, der 1756 in Halle promoviert wurde (Eintrag aus diesem Jahr). Sehr bemerkenswert auch der Eintrag von Ludwig Christian Lichtenberg (1737-1812), dem vier Jahre älteren Bruder von Georg Christoph Lichtenberg, dazu ein C. F. Lichtenberg, der ebenfalls Mitglied der Familie gewesen sein dürfte. Zu Beginn seines Theologiestudiums in Halle, 1752, hat sich Friedrich Georg Christian Erxleben (1733-1801), Stiefsohn der ersten promovierten deutschen Medizinerin Dorothea Erxleben in das Album eingetragen.

Unter den Adeligen, die sich akademische Lorbeeren erworben haben, ragt Franz Rudolf von Schwachheim (1731-1804) hervor. Er war schon als Student 1755 in den Dienst des Hauses Wittelsbach getreten und wurde Leibarzt von Kardinal Johann Theodor von Bayern sowie Clemens Franz Herzog in Bayern. Seine Hallenser Dissertation von 1757 hat das Kobalt zum Thema. Im selben Jahr trat er der Freimaurerloge Philadelphia bei. Später wurde von Schwachheim in die Kaiserliche Akademie Leopoldina in Halle aufgenommen. Eine Tuschezeichnung zeigt wohl das Schloß, in dem die Familie residierte. Weitere Adelige dieses Albums sind Ferdinand von Langenthal, ein Mitglied des Adelgeschlechts von Münchhausen (Halle 1756, mit großer Wappenminiatur mit der Figur des stehenden Mönchs), und der aus den Niederlanden stammende Comte spanischer Abkunft François de Verdugo. Der Mitbegründer der Loge Philadelphia, die im Dezember 1756 gestiftet worden ist, der Jurastudent Martin Friedrich Budde aus Colberg, findet sich ebenfalls unter den Einrtägern wie auch ein weiterer bedeutender adeliger Logenbruder, Johann Gottfried von Exter (1734-1799) aus Bremen, der später als Arzt in Hamburg wirkte. Der Loge gehörten auch die Mediziner Johann Jorissen, der 1757 in Halle promoviert worden ist, und Leberecht August Friedrich Loeper an.

Weitere bekannte Mediziner sind Johann Friedrich Conradi (1725-1789), Friedrich Conrad Meyenberg aus Uelzen im Lüneburgischen, Gotthilf Peter August Lysthenius, ein J. J. Gebauer (wohl ein Mitglied der bedeutenden Hallenser Verlegerfamilie) sowie Friedrich Fabricius und Bernhard Perkuhn, beide Schüler von Juncker. Der Medizinstudent Wilcke, von dem man sonst kaum etwas weiß, war der Verfasser einer Schrift "Zuverlässige Nachrichten von dem traurigen Schicksale der Stadt und Universität Halle nebst dem dazu gehörigen Saalkreise, vom 1. bis 29. Auguft 1759", über die Plünderung der Stadt durch Reichstruppen im Siebenjährigen Krieg, die trotz des anonymen Erscheinens dem Verfasser und dem Drucker Strafverfolgung einbrachte. Der Medizinstudent Christian Friedrich Stöller wurde später zum Leibarzt der Herzogin Friederike von Sachsen-Gotha-Altenburg ernannt. Ein Eintrag stammt von einem Mitglied der bedeutenden Medizinerfamilie Nasse aus Bielefeld.

Aus Bielefeld kamen auch Theophilus Dietrich Fuhrmann und eine Reihe weiterer Studenten. Karriere machte der Jurist Christian Ludwig Troschel aus Berlin (1735-1802), der zum Stadtsyndikus, Oberhofbauamtsrichter und später kgl. preußischem Geheimen Kriegsrat aufsteigen sollte und auch als Autor diverser Schriften in Erscheinung trat; darunter sei die im Jahr seines Eintrags 1754 anonym erschienene Satire "Die Studentenmoral" erwähnt, gewidmet seinem Freund G*S*B* (unserem Stammbucheigner?). Jurist war auch der spätere Quedlinburger Regierungsrat J. C. Madelung (Eintrag 1756). Zu erwähnen ist ferner ein Mitglied der Familie von Bismarck.

Unter den Theologen sind zu nennen Georg Dietrich Kellerhaus aus Soest in Westfalen und die aus Kopenhagen angereisten Theologiestudenten Christian Beverlin Studsgaard (1727-1806), der bis zum Bischof aufgestiegen ist, und Peter Jespersen von Hersleb (1730-1765), der Verfasser eines Katalogs exegetischer Dissertationen (erschienen in Kopenhagen 1759). Aus Norwegen kamen Jan Heinrich Ström und Johannes Bernhoft, aus St. Petersburg (Petripolitanus) Gottfried Schlicht und aus der Ukraine Jean de Hudowycz. Unter den Inskribenten sind auch Studierende der Franckeschen Stiftungen nachzuweisen, so etwa Johann Friedrich Camann, der aus Westfalen stammte.

Die Miniaturen auf Pergament, farbkräftig und von beachtlicher Qualität, zeigen das alte Halle aus der Mitte des 18. Jahrhunderts in topographischer Genauigkeit mit reich belebten Straßen und eine Fernansicht mit Reitern im Vordergrund. In die Studentenszenen, manchmal aus den "Bierdörfern" der Umgebung, sind in sehr feiner Schrift Kommentare von satirischem Inhalt eingetragen, so beim Abschied eines gerade Promovierten. Höchst bemerkenswert ist die Zusammenkunft dreier Studenten in einem Salon, vielleicht drei adelige Logenbrüder, und die rätselhafte Darstellung eines Forschers bei alchemistischen Experimenten mit Ausblick auf einen Friedhof und der auf den Text eines kirchlichen Liedes anspielenden Beischrift "was ich gesündiget habe … habe ich verscharrt in grabe" (sic!); der Eintrag gegenüber von dem Doktor der Medizin Johann Siegmund Sicheling, auch er ein Juncker-Schüler. Die hübsche, etwas kleinere Miniatur, die dem Eintrag von L. C. Lichtenberg gegenübersteht, stellt ein tanzendes Mädchen in Tracht vor einer Gebirgslandschaft dar, das von einem jungen Mann auf der Sackpfeife begleitet wird. – Ein für die Hallenser Universität und die Freimaurerei in Halle im mittleren 18. Jahrhundert bedeutendes historisches Dokument. – Innengelenk angebrochen, einzelne Bl. entfernt (S. 9/10, 171/72, 215/16, 241-44 und 290/91), wenige lose (S. 189-200 und 205/06); leicht fleckig und gebräunt.