49: ALBUM AMICORUM – FREUDSCHAFTSALBUM

des Jenaer Studenten Johannes Friedemann Streit aus Ronneburg mit über 200 Eintragungen, meist aus Jena, wenige auch aus Ronneburg, dat. 1773-76. Qu.-8º (13,1 x 19,7 cm). Mit Titel (tls. in roter Tinte), 8 ganzseit. Deckfarben-Miniaturen auf Tafeln aus festem Papier (tls. in Pag.) mit Szenen aus dem Studentenleben und 3 Tuschezeichnungen (eine ganzseit. auf einer Tafel und zwei kleinere auf pag. Textseiten). 2 nn. Bl., 284 S. (einzelne entfernt), 12 nn. Bl. (Namensregister). Etw. läd. blaugrünes Ldr. d. Zt. mit Deckelvg., dreiseit. Goldschnitt und großmotivigen Kleisterpapiervorsätzen (Rücken tls. erneuert). (140)
Startpreis: 2.500,- €
Ergebnis: 2.600,- €


Ein umfangreiches studentisches Stammbuch, in dem sich viele Juristen, Theologen, Mediziner, vereinzelt auch Philosophie-Studenten und, in geringem Maß, auch Professoren eingetragen haben, darunter einige bedeutende, prominente Persönlichkeiten und viele weitere ermittelbare. Das Album wurde ausschließlich in der Studienzeit des Besitzers an der "Salana", wie die Universität Jena auch genannt wird, in den Jahren 1773-1776 geführt. Johannes Friedemann stammte aus der Ronneburger Familie Streit, die lokal bekannt ist und auch am Ort namhafte Personen hervorgebracht hat, doch ist über ihn selbst nur sehr wenig belegt, weder die Lebensdaten noch der nach dem Jurastudium ausgeübte Beruf.

Zu den bedeutendsten seiner Einträger gehört der Philosoph und Aufklärer Justus Christian Hennings (1731-1815), Verfasser zahlreicher Schriften, die sich insbesondere gegen den Aber – und Hexenglauben richteten. Obgleich Kant gegenüber aufgeschlossen, vertrat er eine eigene theologische geprägte Aufklärungsrichtung. Für die Geschichte der Pädagogik ist der Philosoph Friedrich August Wiedeburg (1751-1815) wichtig. Dieser war zunächst Professor in Jena, dann in Helmstedt, wo er 1779 das das philologisch-pädagogische Institut zur Ausbildung von Hochschullehrern gründete. Ein mehr als nur lokal bedeutender Aufklärer war der Lübecker Lehrer, Bibliothekar, Pastor und Jurist Ludwig Suhl (1753-1819), der auch Freimaurer war und die dortige Literarische Gesellschaft mitgegründet hat.

Der Jenaer Historiker, Bibliothekar und Professor Johann Gottfried Müller (1729-1792) war ein Vetter von Lessing. Der aus Eisenberg stammende Georg Christian Brendel (1756-1827) gehörte zu den bedeutenden Rektoren des dortigen Lyzeums. Auch prominente Naturforscher finden sich, so Lorenz Johann Daniel Suckow (1722-1801), ab 1756 ordentlicher Professor für Physik und Mathematik an der Universität Jena, und sein Kollege Johann Ernst Basilius Wiedeburg (1733-1789), Physiker, Astronom und Mathematiker sowie Professor in Erlangen und Jena. Ein Schüler Hufelands in Jena, der bedeutende Johann Salomo Ernst Schwabe (1752-1824), hat sich ebenfalls eingetragen. Er wurde später Professor der Medizin in Gießen und zum Mitglied der Leopoldina ernannt. Erdmann Gottfried Horn (1752-1824) sollte als fürstlicher Hofrat und Leibarzt in Schleiz Karriere machen. Der Hechlinger Diakon, Johann Sebastian Horrer, war auch Philosoph und Naturforscher sowie Autor diverser Schriften, darunter einige naturwissenschaftlichen Inhalts.

Unter den Juristen sind zuerst zu nennen Christian August Thon (1755-1829), aufgestiegen bis zum Kanzler und Chef des Regierungskollegiums von Sachsen-Weimar-Eisenach, schließlich gar Geheimrat, der bedeutende Jenaer Rechtsprofessor Johann August Reichardt (1741-1808) und Friedrich Ludwig von Witzleben (1755-1830), späterer Minister, Staatsrat und Generaldirektor der Domänen, Forste und Gewässer in Hessen und im Königreich Westphalen; Christian Ferdinand Freiherr von Könitz (1756-1832) wurde Sachsen-Coburgischer Landschaftsdirektor und 1802 Sachsen-Meiningischer Hofbeamter, Johann Valentin Christian Musaeus (1753-1804), Regierungsadvokat in Meiningen und von Diemarischer Gerichtsdirektor in Walldorf, August Gottlieb Sommer (1752-1815), Senator in Langensalza und der Gothaer Regierungsrat Heinrich Erhard von Eichelberg, ferner Friedrich Christian Grether, Jurist und Amtmann in Speyer, der Justizrat in Ratzeburg, David Christian Boccius, Vater des Dichters Ludwig Christian Boccius, der Verwaltungsjurist im Königreich Hannover, Johann Ludolph Bansen (1755-1835), Johann Christian Burckhard Kröber, Kammersekretär in Zweibrücken, der Ronneburger Amts-Commissarius Christian Gottfried Heubner und Christoph Friedrich von Apell (gestorben 1795), der Kriegszahlamtsdirektor in Kassel war. Der Jurist Nicolaus Otto Freiherr Pechlin von Löwenbach, (1753-1807), stieg zum Verwaltungsjurist in dänischen Diensten auf, Georg Marienburg aus Siebenbürgen wurde in Mühlbach Magistratsrat und Königsrichter; er war der Großvater des berühmten Sprachforschers Georg Friedrich Marienburg. Johann Tartler (1753-1825), späterer königlich siebenbürgischer Gubernialrat und Comes von Siebenbürgen, gehörte zu einer kleinen Gruppe von Einträgern aus Siebenbürgen, eine weitere kam aus Ungarn.

Der Theologe Johann Philipp Weiße (1753-1840), der aus Reval stammte, ist als Freimaurer im Amt des Großredners an einer Loge in Reval bekannt geworden. Unter den Theologen finden sich ferner der Pastor Carl Georg Hieronymus Biedenweg (1749-1826) und Johann Georg Lummer, Zucht – und Waisenhausprediger in Gera. Freimaurer war auch der Altenburgische Rat Johann August Schneider (1756-1816), "Meister vom Stuhl" an der Loge "Archimedes zu den drei Reißbrettern" in Altenburg.

Die Reihe an Personen aus bekannten Familien ist generell beachtlich, darunter die Ribbentrop aus Lippe in Westfalen, Hagen aus Bayreuth (vielleicht der Vater von Erhard Hagen von Hagenfels, dem ersten rechtskundigen Bürgermeister der Stadt), Wedel aus Jena, Pansner aus Arnstadt (vielleicht ein Verwandter des berühmten Mineralogen), Langbein (Arnstadt), von Bünau, von Schmerzing, Quehl, Berkelmann (Altenburg), Haberland, Rambusch und Müller (aus Ronneburg).

Ein Beiträger, Franz Joseph Ruhmbaum, aus Bistritz in Siebenbürgen, hat eine ganze Seite über die Jenaer Universität verfaßt (Incipit: "Was ist Jena? Ein Entwurf von dem Himmel auf der Erde", die Hochschule als die Sonne etc.), andere eher Launig-Derbes: "Es lebe was die Eva hat / unter ihrem Feigenblat(t)". – Die einzelnen Einträge aus Ronneburg auch von Mitgliedern der Familie Streit. Erwähnt sei ferner Philipp Eberhard Clausing, dessen schönes Jenaer Studentenstammbuch derzeit im Handel ist.

Die feinen Miniaturen auf acht Tafeln auf festem Papier zeigen Studenten beim Zechen, in mehreren Nachtbildern rituelle Handlungen der Studentenschaft wie "Die Arretierung des Burgauer Müllers", "Die Schnurren Bataille", und den Einzug der "Füchse" in die "Oehlmühle" (mit Götz-Zitat), weiterhin ein Doppelbild, links das Zechen im Ort Ketschau, rechts der ruinierte Student vor einer Tafel seiner Schulden und das Ende des Studentenlebens ("tempora mutantur") als Ehemann und Vater in einem ansehnlichen Interieur. – Ohne die Seiten 47-50, 152/53, 218/19, wohl falsch paginiert: 77-82 und 132/33. Einzelne Bl. lose, tls. etw. fleckig und gebräunt.