31: MÜNCHEN – "TAGEBUCH VON F. XAVER RECHENMACHER"

Deutsche Handschrift auf Papier. Dat. München, 6. 3. – 16. 8. 1822. Mit nahezu ganzseit. Vign. und 4 ganzseit. Zeichungen in Tusche und Bleistift. Ca. 90 Bl. (davon 4 weiße). Pp. d. Zt. (Bezug mit kleinen Fehlstellen, beschabt und besoßen). (110)
Startpreis: 1.200,- €
Ergebnis: 800,- €


Franz Xaver Rechenmacher (1804-1860), als Sohn eines Brauers in Gottsdorf (Landkreis Passau) geboren, studierte nach dem Besuch des Gymnasiums in Passau am Königlichen Erziehungsinstitut für Studierende in München, nach dem Leiter Benedikt von Holland damals auch Hollandeum genannt. Er bekleidete später Pfarrstellen in Breitenberg im Passauer Land und in Wegscheid im Bayerischen Wald. Außerdem gehörte er dem Landrat von Niederbayern an und wurde 1855 in die Abgeordnetenkammer des Landtags des Königreichs Bayern gewählt.

Unser Tagebuch gibt Einblick in sein erstes Studienjahr in München 1821/22. Er logierte zunächst in der Dienerstraße 134 und zog dann in die Gruftgasse 106. Regelmäßig verzeichnet er die Examenstage mit den Namen der Prüfer, darunter Professor Maillinger, Hofrat Späth und Hofrat Thiersch, sowie die zu beantwortenden Fragen. Neben Einträgen zu täglichem Erleben und Befinden nutzt er das Büchlein auch für die Niederschrift von Gedichten, die er meist bei Spaziergängen im Englischen Garten "verfertigte". Auch schrieb er kleine Stücke, trug seine Überlegungen zu philosophischen und religiösen Fragen ein, ebenso wie zu Theateraufführungen oder zu seiner Lektüre, ausführlich etwa zu Goethes Wahlverwandtschaften. Er leidet an Einsamkeit und wünscht sich einen rechten Freund. Die Osterferien und andere freie Tage verbrachte er bei einer verschwägerten Familie in Schleißheim, wo auch die Zeichnungen entstanden. Spaziergänge führten ihn etwa in den Nymphenburger Park, nach Sendling oder Harlaching.

Am 5. Mai notiert er dazu eine besondere Begegnung: "Auf dem Rückweg gingen wir durch die Au, wo eben Markt war. Und seine Majestät der König, die Königin, die Prinzessinen und die Fürstin Taxis durchgingen die Reihen. Der König kaufte bey verschiedenen Buden selbst ein und bezahlte selbst. Er kaufte bey einem Krämer Feuerstein. Der Jubel über dessen Gegenwart war sehr groß und das Volk allgemein erfreut. Welches Land hat einen solchen König?"

Am Ende des Büchleins finden sich Verzeichnisse: "Bücher, welche ich las" sowie "Folgende Bücher schaffte ich mir im Lauf des Jahres von 1821/22 an", und als Nachtrag "Anno 1823", jeweils mit den Kaufpreisen. – Innengelenk etw. wurmspurig, fliegender Vorsatz mit spät. mont. Typoskript zur Biographie des Eigners.

Beiliegt ein bäuerliches Notizbuch über Ausgaben (ca. 1843-88).